Sind 100 m² Wohnfläche für einen Studenten ausreichend?

Ein Mietvertrag über Wohnraum kann von dem Mieter jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Umgekehrt gilt dies nicht:
Der Vermieter kann nur dann kündigen, wenn der Mieter sich Vertragsverletzungen zu Schulde kommen lässt oder der Vermieter einen besonderen Grund hat. Einer dieser besonderen Gründe kann sein, dass der Vermieter den Wohnraum für sich oder einen Angehörigen zur eigenen Nutzung benötigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die zuständigen Gerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch Angehörige, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen (BVerfG, NJW 1995, 1480). Sie haben auch zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht (BVerfG, WuM 2002, 21). Prüfen können die Gerichte allerdings, ob der Vermieter den Eigennutzungswunsch ernsthaft verfolgt oder ob er z.B. missbräuchlich ist, weil der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist. Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn der Vermieter für einen Angehörigen kündigt, der kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hat.

Was sagen die Gerichte?
Bei den Instanzgerichten in Deutschland gibt es eine weit verbreitete Auffassung, dass bei alleinstehenden Personen mit geringen Einkünften – z. B.  Studenten oder Auszubildenden – einen Wohnbedarf von mehr als 100 m² unangemessen sei (z.B. LG Frankfurt/Main, NJW 1990, 3277; LG Kiel WuM 1991, 492; LG Bremen, WuM 1994, 541; AG Köpenick, WuM 2013, 678).
Auch das LG Karlsruhe (9 F 39/14) hatte sich im vergangenen Jahr dieser Meinung angeschlossen. Es wies die Klage eines Vermieters ab, der eine Eigenbedarfskündigung für eine mindestens 125 m² große 4-Zimmer-Wohnung ausgesprochen hatte. Die Eigenbedarfskündigung erfolgte zu Gunsten seines Sohnes, der damals 22 Jahre alt war und gerade angefangen hatte zu studieren. Unter Bezug auf die vorgenannte Rechtsprechung führte das LG Karlsruhe aus, Wohnungsgrößen ab 100 m² seien regelmäßig als unangemessen für Einzelpersonen mit keinem oder geringen Einkommen anzusehen.
Dies sah der BGH in der Revision anders. Die „100 m²-Rechtsprechung“ sei rechtsfehlerhaft. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes könne es keine „starre“ Grenze geben. Es gebe keine Begründung dafür, auf Grund welcher objektiven Kriterien ein Wohnbedarf von mehr als 100 m² für eine alleinstehende Person mit geringen Einkünften als weit überhöht anzusehen sei. Insbesondere gebe es keine statistischen Erkenntnisse oder sonstige Erfahrungswerte dazu. Weiter müsse auch der konkrete Einzelfall beleuchtet werden, beispielsweise der Zuschnitt der Räume und die Anzahl der Zimmer.

Praxishinweis:
In letzter Zeit sind wiederholt Entscheidungen von Instanzgerichten bekannt geworden, bei denen die Anforderungen an die Eigenbedarfskündigung deutlich überspannt wurden. Nicht immer gelangen diese Fälle zum BGH und haben dann die Chance korrigiert zu werden. Das mag einer der Gründe dafür sein, warum Karlsruhe sich im zitierten „Studentenurteil“ ausführlich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Eigenbedarfskündigung auseinandersetzt und den Richtern „in der Fläche“ einige wertvolle Hinweise und Fingerzeige gibt.