LG Berlin – 65 S 28/20 – vom 17.06.2020

Der Fall:

Mit Schreiben vom 30.05.2019 verlangt die Vermieterin von den Mietern die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Die Mieterhöhung soll zum 01.08.2019 wirksam werden. Die Mieter stimmen nicht zu. Die Vermieterin erhebt Klage zum Amtsgericht Pankow/Weißensee. Im Dezember 2019 verurteilt das Amtsgericht Pankow/Weißensee die Mieter antragsgemäß zur Zustimmung. Die Mieter legen Berufung zum Landgericht Berlin ein und meinen, dass wegen des am 23.02. 2020 in Kraft getretenen MietenWoG (Mietendeckel) das Mieterhöhungsverlangen unbegründet ist.

Die Entscheidung:

Das LG Berlin weist die Berufung zurück. Es prüft zunächst noch einmal die Voraussetzungen der normalen Mieterhöhung gem. § 558 BGB und entscheidet mit dem Amtsgericht Pankow/Weißensee, dass das Mieterhöhungsverlangen danach begründet war. Sodann beschäftigt es sich mit dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 3 Abs. 1 MietenWoG (Mietendeckel) und entscheidet, dass diese Vorschrift auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung findet. Dazu beruft es sich zunächst auf seine Entscheidung vom 27.05.2020 (65 S 233/19), in dem es einen vergleichbaren Sachverhalt bereits so entschieden hatte. In jenem Fall hatte das Landgericht Berlin aber noch die Revision zum BGH zugelassen, weil es sich seiner Rechtsauffassung nicht sicher war. Dies tut das LG nun nicht mehr, da es aufgrund der inzwischen ergangenen Entscheidung des BGH vom 29.04.2020 (VIII ZR 355/18) die Rechtsfrage für geklärt hält. Im BGH-Fall ging es um ein Mieterhöhungsverlangen aus 2015, über das der BGH aber erst nach Inkrafttreten des MietenWoG entschied. Auf mehren Seiten begründet der BGH, warum das MietenWoG auf die von ihm entschiedene Konstellation keine Anwendung finden kann. Das Landgericht Berlin überträgt diese Grundsätze auf den Fall, dass das Mieterhöhungsverlangen – wie im BGH-Fall – vor dem 18.06.2019 gestellt wurde, die Wirkungen aber erst danach eintreten sollten. Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte der in § 3 Abs. 1 S. 1 MietenWoG definierte Stichtag nämlich verhindern, dass die Umsetzung der (geplanten) Vorschrift bereits vor ihrem Inkrafttreten durch Ausnutzung der bisherigen Rechtslage vereitelt würde. Nach Auffassung des Gerichtes begründet ein Mieterhöhungsverlangen, das vor dem Senatsbeschluss vom 18.06.2019 zugegangen ist, diese Gefahr ebenso wenig wie ein solches, dessen Wirkungszeitpunkt (zusätzlich) vor dem Stichtag liegt, denn es sei – in beiden Fällen – in Unkenntnis des Senatsbeschlusses an den Mieter gerichtet worden. Die Begründung des Landesgesetzgebers für die Erforderlichkeit der Stichtagsregelung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Rückwirkungsfrage trage demnach (auch) nicht die Ausdehnung der Regelung auf Mieterhöhungsverlangen, die vor diesem Zeitpunkt (nur) zugegangen seien. Die Vorschrift sei deshalb – entsprechend dem vom BGH in seiner Entscheidung vom 29.04. dargestellten Maßstäben – ihrem Sinn und Zweck nach dahin auszulegen, dass das Verbot auch solche Mieterhöhungsverlangen nicht erfasst, die vor dem Stichtag zugegangen sind, die Miethöhe allerdings erst zu einem nach dem Stichtag liegenden Zeitpunkt änderten.

Praxishinweis:

Die Rechtsprechung zum MietenWoG entwickelt sich gerade erst und ist durch komplett widersprüchliche Entscheidungen der Berliner Amtsgerichte gekennzeichnet. Die Entscheidung der 65. Kammer des Landgerichts Berlin bringt zumindest für die hier entschiedene Rechtsfrage eine gewisse Ordnung. Abzuwarten bleibt, wie über die Mieterhöhungsverlangen entschieden wird, die erst nach dem 18.06.2019 gestellt wurden. In der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht Berlin aber angedeutet, dass es diese Fälle wohl nicht anders beurteilen würde. Auch solche Mieterhöhungsverlangen dürften – wenn sie nach § 558 BGB begründet sind – nicht durch das MietenWoG unwirksam werden. Eine andere Frage ist, ob der Vermieter den vom Gericht ausgeurteilten Betrag unter der Geltung des MietenWoG auch entgegennehmen darf. Damit ist das Problem der sogenannten „Schattenmiete“ angesprochen. Es gibt – nunmehr auch nach Auffassung des LG Berlin – zwei rechtswirksame Mieten in Berlin: Einmal die nach Bundesrecht (BGB) zulässige Miete und einmal die nach Landesrecht (Mietendeckel) zulässige Miete. Derzeitige Rechtsauffassung ist, dass der Vermieter – bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels entschieden hat – nur die nach Mietendeckel zulässige Miete entgegennehmen darf.