Begründet ein auf die Vergesellschaftung großer privater Immobilienfirmen gerichtetes Volksbegehren ein berechtigtes Interesse für einen Abgeordneten eines Landesparlamentes in das Grundbucht Einsicht zu nehmen?

Nach § 12 GBO darf derjenige, der ein berechtigtes Interesse darlegt, Einsicht in das Grundbuch nehmen. Ein solches berechtigtes Interesse kann auch bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses gegeben sein (OLG München, NJW RR 2017, 77). In Berlin, wo derzeit ein Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne läuft, wollte eine Abgeordnete des Berliner Landesparlaments Einsicht in Grundbücher zu Grundstücken nehmen, die einen der betroffenen großen Unternehmen gehören. Wesentliches Argument: Als Abgeordnete könne sie sich darauf berufen, neben dem Parlament die Exekutive kontrollieren zu müssen. Das Grundbuchamt hatte ihr die Einsicht aber nicht gestattet.

Was sagen die Gerichte?

Sowohl das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg als auch nachfolgend das Kammergericht (1 W 140/19 vom 18.06.2019) haben die Entscheidung des Grundbuchamtes bestätigt. Es genüge nicht jedes beliebige Interesse eines Antragstellers. Das laufende Volksbegehren und ihr Wunsch an einer substantiierten Teilnahme an der Debatte rechtfertige ein berechtigtes Interesse nicht. Die Situation unterscheide sich nämlich nicht wesentlich von der eines Kaufinteressenten, der noch nicht in Verhandlungen mit dem Eigentümer eingetreten sei und deshalb auch keine Kenntnis davon habe, ob überhaupt eine Veräußerungsbereitschaft bestehe. Zu einer Willensbildung im Zusammenhang mit dem Volksbegehren sei die genaue Kenntnis der im Grundbuch eingetragenen Daten privater Unternehmen nicht erforderlich. Im Übrigen müsse sich die Abgeordnete anderer Mittel bedienen, etwa der Einsicht in die Akten oder sonstigen amtlichen Unterlagen der Verwaltung.

Praxishinweis:

Als das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im Jahre 2010 im Zuge der Recherchen zu einem Kredit an den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff Einsicht in das Grundbuch für das Haus des Bundespräsidenten nehmen wollte, wurde ihm dies letztinstanzlich vom BGH gestattet (XI ZR 30/09 vom 07.12.2010). Ein öffentliches Interesse an der Recherche wurde bejaht.

Damit ist aber das Begehren der Berliner Abgeordneten nicht zu vergleichen. Zum einen hatte sie die Möglichkeit, sich in den Akten der für das Volksbegehren zuständigen Senatsverwaltung zu informieren; zum anderen wäre das Grundbuchgeheimnis nicht mehr viel wert, wenn allein die Tatsache, dass ein Gesetz vorbereitet wird, ein berechtigtes Interesse zur Einsicht durch Abgeordnete gewähren würde.