Bei der Entwicklung größerer Quartiere sind fast immer mehrere Grundstückseigentümer betroffen. Nicht immer lassen sie sich problemlos unter einen Hut bringen. Überbaurechte können hierbei eine Lösung bilden. Welche Modelle möglich sind und was zu beachten ist.

Die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gefassten Vereinbarungen zur Überbauung von Grundstücken (§ 912) wurden erdacht, um bei nicht eindeutigen Grundstücksgrenzen im Nachhinein Klarheit zu schaffen. Damit soll verhindert werden, dass ein Gebäude, das auf ein Nachbargrundstück ragt, abgerissen werden muss. Mittlerweile werden Überbauregeln immer häufiger bei komplexen Baumaßnahmen oder verfahrenen Kaufvertragsverhandlungen eingesetzt.

Kurz gesagt wechselt bei Überbaumodellen ein Nachbargrundstück, das bebaut werden soll, nicht den Eigentümer. Dieser erlaubt lediglich die Überbauung, also dass ein Gebäude oder eine Tiefgarage in sein Grundstück ragt. Oder es sogar ganz bedeckt. Als Gegenleistung kann der Investor dem Betroffenen eine sogenannte Überbaurente bezahlen.

Häufig wollen Eigentümer ihre Flurstücke nicht an Bauherren verkaufen, weil sie etwa als Erbengemeinschaft uneins sind oder auf steigende Grundstückpreise hoffen. Für den Entwickler stellt das Flurstück aber vielleicht ein nötiges Puzzleteil dar, um sein innerstädtisches Wohn- oder Gewerbeprojekt zu arrondieren. Dann sind Überbauregeln ein probates Mittel. Sie dienen in diesen Fällen als „Krücke“, weil es im deutschen Recht nur einen Eigentümer des Grundstücks, aber keinen separaten am Gebäude gibt. Denn bekanntlich gehört der Baukörper immer zum darunter liegenden Untergrund.

Am häufigsten werden Überbauregeln für Tiefgaragen herangezogen. Fast kein innerstädtisches Neubauprojekt kommt ohne diese aus. Weit verbreitet ist dabei, dass sich mehrere Eigentümer, etwa ein Hotel, ein Einkaufszentrum und eine Eigentumswohnanlage eine solche Quartiersgarage teilen. Der Überbau ist dann de facto ein Unterbau. (BGH, Az: V ZR 131/66). Dieser gehört rechtlich zu einem sogenannten Stammgrundstück, erstreckt sich aber tatsächlich auch über die verschiedenen  Nachbargrundstücke (Hotel, Einkaufscenter etc.). Bei Überbauten, egal ob bei zurückliegenden oder künftigen, muss ein solches Ankergrundstück definiert werden, von dem der Überbau ausgeht. Dieses kann wiederum in Teileigentum untergliedert werden (siehe unten), d.h. das Stammgrundstück gehört dann den Eigentümern der Nachbargrundstücke nach Miteigentumsanteilen.

Aber Achtung: nicht alle Baubehörden winken jeden kreativen Umgang mit Überbaumodalitäten durch. Daher sollte die Aufsicht möglichst frühzeitig in die Planung eingebunden werden.

Zu unterscheiden ist dieses Modell von der bei der Errichtung von Eigenheimsiedlungen häufig anzutreffenden Gestaltung:

Soll beispielsweise auf einem Areal eine Trafostation für die Stromversorgung von 20 Reihenhäusern oder eine Zufahrt für die Gesamtanlage errichtet werden, so geschieht dies auf einem eigens gebildeten Grundstück. Eine Überbauregelung ist hier zumeist nicht erforderlich, weil die Infrastrukturanlagen alle auf dieses Grundstück passen und sich nicht auf die Nachbargrundstücke erstrecken. Das entsprechende Grundstück wird in Teileigentum untergliedert  (siehe unten). Die beispielhaft genannten Reihenhaus-Erwerber signieren dann zwei Verträge. Einen Kaufvertrag über ihr Eigenheim und einen über den Miteigentumsanteil am überbauten Ankergrundstück.

Möglicherweise Verwalter für Stammgrundstück einsetzen

Bei größeren Projekten, wie etwa einer Tiefgarage mit mehreren hundert Stellplätzen, sollte ein Verwalter mit der Pflege, Instandhaltung und den Verkehrssicherungspflichten des Stammgrundstücks betraut werden.

Egal ob unterbaute Tiefgarage oder ein mit einem Hotel überbautes Grundstück, wichtig ist eine vertragliche Vereinbarung, die mit den Folgen des Überbaus über den Tag hinausweist. So sollte die Überbauung als persönlich beschränkte Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden. Bei einem Verkauf ist dem Erwerber klar, welche Besonderheiten mit dem Grundstück verbunden sind.

Die Grundlagen werden in  einer schuldrechtliche Vereinbarung niedergelegt. In dieser sollten möglichst detailliert die Rechte und Pflichten  der Beteiligten fixiert werden: Wie sind die Entscheidungswege, werden Instandhaltungsrücklagen angelegt etc.? Die darauf basierende  Grundbucheintragung enthält insoweit nur eine „Kurzbezeichnung“ des Rechtes, nicht aber dessen genauen Inhalt. Hierfür sind diese Zusatzvereinbarungen angeraten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Wo es herkommt: Zum Heilen von Grenzsteinen

In seinem Ursprung war der Überbau-Paragraf 912 BGB dafür gedacht, Regelungen bei versehentlichen und geduldeten Überbauten zu finden. Dabei sollte verhindert werden, dass der betroffene Bau abgerissen werden muss, Stichwort: Erhaltung wirtschaftlicher Werte. Hat demnach ein Nachbar bei seiner Maßnahme ohne Vorsatz und Fahrlässigkeit über die Flurgrenze gebaut, so muss sein Anrainer diesen Bau dulden. Es sei denn, er hat vor oder direkt nach der Überschreitung Widerspruch eingelegt. Der Nachbar, dessen Grundstück überbaut wurde, ist dafür zu entschädigen. Vereinbart wird dabei eine Überbaurente, die sich an der Dimension des Überbaus sowie der Dauer orientiert. Hierfür sollte der Verkehrswert des überbauten Areals zum Zeitpunkt der Überbauung herangezogen werden.

Nicht untypisch ist folgender BGH Fall: Eine Halle wurde auf zwei Grundstücken errichtet, die demselben Eigentümer gehörten. Später wurde ein Grundstück weiterverkauft und der Neueigentümer verlangte nun, den auf seinem Grundstück stehenden Teil der Hall abzureißen. Die Richter versagten der Klage den Erfolg. Es handele sich um einen sogenannten Eigengrenzüberbau, der vom Käufer hingenommen werden müsse (BGH, Az: V ZR 231/88).

Überbauvereinbarungen hielten auch bei der nachträglichen Fassadendämmung Einzug in Landesbauverordnungen. So gilt beispielsweise im Berliner Nachbarschaftsgesetz (§16a) seit 2010, dass ein Grundstückseigentümer dulden muss, wenn sein Nachbar an der Fassade seines Bestandsgebäudes nachträglich eine Wärmedämmung anbringen will und dabei die Umfriedung zum Nachbarn hin geringfügig überschreiten muss.

Beim Neubau innerstädtischer Quartiere mit mehreren Investoren, können Überbauregeln also ein wirksames Mittel sein, gemeinschaftliche Bauten zu managen. Zudem lassen sie eine größere Gestaltungsfreiheit zu. Die Stammgrundstücke, von denen die Überbauten ausgehen, können als Teileigentum angelegt werden. Dies muss aber nicht sein. Ob  Kompensationszahlungen (Überbaurenten) festgelegt werden, ist eine Frage der konkreten Situation und der Verhandlungen unter den Beteiligten.