Eine E-Mail ist schon dann zugegangen, wenn sie auf dem E-Mail-Server des Empfängers landet. Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger diese schon gelesen hat (BGH Urt. v. 6.10.2022 – VII ZR 895/21).

Was war passiert?

Ein Bauunternehmer und sein Auftraggeber streiten um den Schlussbetrag. Nach einigem Hin- und Her schickt der Anwalt des Bauunternehmers morgens um 09:19 eine E-Mail an den Auftraggeber, wonach sein Mandant noch 14.000 € wolle, weitere Forderungen würde er nicht geltend machen. Aber das war offenbar zu schnell. 37 Minuten später schickt er eine zweite Mail: Es sei doch noch keine abschließende Prüfung der Forderungshöhe erfolgt; die E-Mail von 09:19 Uhr müsse daher unberücksichtigt bleiben. Drei Tage später schickt der Bauunternehmer eine Schlussrechnung über eine Restforderung in Höhe von 22.000 €. Der Auftraggeber überwies wiederum drei Tage später nur die 14.000 €. Der Auftragnehmer will nun den Differenzbetrag haben.

Entscheidung:

Pech gehabt: Durch die E-Mail des Anwalts und die Zahlung ist ein Vergleich  zustande gekommen. Die E-Mail war das Angebot, das der Auftraggeber durch Zahlung angenommen hat. Das E-Mail-Angebot ist dem Auftraggeber mit Eingang auf dem Mailserver um 09:19 Uhr wirksam zugegangen. Weil die E-Mail innerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten zuging, konnte der Anwalt des Bauunternehmers dieses Angebot nicht mehr widerrufen. Der Auftraggeber konnte dieses Angebot durch seine Zahlung annehmen. Daher muss er nur die 14.000 € zahlen.

Der juristische Hintergrund:

Nach § 130 Absatz 1 Satz 2 BGB kann ein Angebot noch widerrufen werden, solange es nicht zugegangen ist. Schickt man das Angebot also per Brieftaube, kann man dieser noch den Jagdfalken hinterher schicken, der sie vom Himmel holt, bevor sie beim Empfänger landet. Bei E-Mails geht das nicht. Einmal abgeschickt, sind sie weg und landen praktisch in Lichtgeschwindigkeit beim Empfänger.

Folgerungen für die Praxis:

E-Mails sind bequem – und oft (aber nicht immer) auch rechtsverbindlich. Schon das Faxgerät hatte so seine Tücken, man denke nur an den Anwalt Schriftsatz, der an eine Pizzeria gefaxt wurde, weil eine Nummer vertauscht wurde. Bei E-Mails ist das noch schlimmer, weil sie noch leichter zu handhaben sind. Es dürfte wohl jedem schon passiert sein, aus Versehen auf „Senden“ zu klicken, bevor die E-Mail fertig war. Gerade weil E-Mails so einfach zu versenden sind, heißt es hier: Am besten erst mal liegen lassen –  oder den Empfänger erst eintragen, wenn man ganz sicher ist, dass die E-Mail auch verschickt werden kann.

Es gibt zwar in manchen E-Mail-Programmen die Funktion „E-Mail zurückrufen“, das funktioniert aber bei Outlook zum Beispiel nur, wenn Sender und Empfänger den gleichen Exchange Server nutzen, also im Prinzip nur innerhalb des eigenen Unternehmens. Das hilft also nichts.

 Rechtsanwalt Johannes Hofele  Fachanwalt für Steuerrechtvon Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte