Versagt eine Behörde des Landes Nord-Rheinwestfalen rechtswidrig die positive Bescheidung einer Bauvoranfrage, so hat der Antragsteller einen Anspruch auf Ersatz der ihm daraus entstehenden Schäden nach § 39 OBG NW. Ein Verschulden der Behörde ist dafür nicht erforderlich.

LG Dortmund, Urteil vom 18.01.2008 – 8 O 168/06

Der klagende Projektentwickler schließt am 28.06.2001 einen Mietvertrag mit der Firma M für einen noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt. Der Markt soll eine Verkaufsfläche von mindestens 700 m² haben. Die Übergabe soll bis spätestens zum 01.11.2003 erfolgen, danach kann die Firma M vom Vertrag zurücktreten. Am 18.02.2002 stellt die Klägerin eine Bauvoranfrage bei der zuständigen Behörde für einen Lebensmittelmarkt mit 698 m² Verkaufsfläche. Am 05.05.2002 fasst die beklagte Gemeinde den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes, welcher den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben auf dem Grundstück der Klägerin vorsieht. Am 04.07.2002 wird die Bauvoranfrage der Klägerin vom 18.02.2002 abgelehnt. Außerdem erlässt die beklagte Gemeinde eine Veränderungssperre, die am 18.10.2002 bekannt gemacht wird. Nachdem der Widerspruch gegen die Ablehnung der Bauvoranfrage von der Bezirksregierung zurückgewiesen wird, erhebt die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht. Dies weist die Klage ab, stellt aber fest, dass die Klägerin bis zur Geltung der Veränderungssperre am 18.10.2002 einen Anspruch auf positive Bescheidung ihrer Bauvoranfrage gehabt hätte. Nachdem das Vorhaben nun nicht mehr realisiert werden kann, erhebt die Klägerin Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 843.604,38. Das Landgericht Dortmund spricht ihr einen Schadensersatz in Höhe von EUR 759.151,92 zu. Außerdem verpflichtet es die beklagte Gemeinde zum Ausgleich weiterer Schäden, die der Klägerin durch die rechtswidrige Versagung des Bauvorbescheides entstehen könnten.

Gründe des Gerichts:
Das LG Dortmund stützt seine Entscheidung auf § 39 OBG des Landes Nord-Rheinwestfalen. Danach sind Schäden, die jemand durch rechtswidrige Maßnahmen der Ordnungsbehörde erleidet zu ersetzen, auch wenn die Ordnungsbehörde kein Verschulden trifft. Die Nichterteilung bzw. Ablehnung des begehrten Vorbescheides bis zum 18.10.2002 stelle eine solche rechtswidrige Maßnahme dar. Das Verwaltungsgericht habe entschieden, dass bis zum 18.10.2002 ein Anspruch auf Erteilung des Vorbescheides bestanden hätte. Unter Berücksichtigung einer 3-monatigen Bearbeitungszeit hätte der Vorbescheid demgemäß jedenfalls bis Mitte/Ende Mai 2002 erteilt worden sein müssen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die nachfolgende Veränderungssperre und der nachfolgende Bebauungsplan ohne Bedeutung für die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens gewesen wären. Auch bauordnungsrechtliche Gründe hätten der Erteilung des Vorbescheides nicht entgegengestanden. Beim rechtmäßigen Handeln der beklagten Gemeinde hätte der Markt demgemäß bis zum 01.11.2002 der Firma M zur Verfügung gestellt werden können. Die Höhe des Schadensersatzes ergibt sich aus einer Berechnung der entgangenen Mieterträge abzüglich Finanzierungszinsen, Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Haftpflichtversicherung. Des Weiteren spricht das Gericht der Klägerin die Zinsaufwendungen zu, die daraus herrühren, dass sie den Kaufpreis für das Grundstück aus ihrem Kontokorrentkredit finanziert hat. Insoweit kann der Klägerin nach Meinung des Gerichts auch nicht entgegengehalten werden, dass in dem Kaufvertrag über das Grundstück kein Rücktrittsrecht vereinbart hatte.

Rechtliche Einordnung:
Das Gericht stützt sich auf eine Vorschrift des Landesrechts NRW, welche Entschädigungen für rechtswidriges Handeln der Verwaltung auch ohne Verschulden vorsieht. Das Urteil ist deshalb nicht verallgemeinerbar. Im konkreten Fall müsste immer geprüft werden, ob das jeweilige Landesrecht eine entsprechende Regelung bereit hält. Das in solchen Fällen ebenfalls in Betracht kommende bundesweit geltende Amtshaftungsrecht nach Art. 14 GG, § 839 BGB setzt im Gegensatz zu der nordrheinwestfälischen Regelung aber immer ein Verschulden eines Amtsträgers hinaus. Insoweit sind die Hürden dort deutlich höher.

Kommentar:
Das Gemeinden mit den Mitteln des Baurechts seit mehreren Jahren versuchen, die „Flachmänner“ der Discounter zu verhindern, kann man aus städtebaulicher Sicht sicher unterschiedlich bewerten. Wenn solche Vorhaben – bei denen es um viel Geld geht – allerdings rechtswidrig verhindert werden, ist es auch richtig, dass die Gemeinden zum Schadensersatz herangezogen werden.