Kann ein Beschluss auch dann noch angefochten werden, wenn er bereits vollzogen worden ist?

Fasst eine Eigentümerversammlung einen Beschluss, so ist dieser – wenn er nicht nichtig ist – zunächst gültig. Dies bedeutet auch, dass er durchgeführt bzw. vollzogen werden kann und muss.
Ficht ein Eigentümer diesen Beschluss an, so stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Beschluss in der Zwischenzeit schon durchgeführt worden ist. Die Juristen müssen dann prüfen, ob der anfechtende Eigentümer überhaupt noch ein sogenanntes Rechtsschutzbedürfnis hat.

Was sagen die Gerichte?  

Das OLG München (ZMR 2007, 139) ist der Meinung, dass in einem solchen Fall das Rechtsschutzbedürfnis entfällt und eine Klage demgemäß nicht mehr möglich ist.
Das OLG Hamm (ZMR 2009, 58) und das LG Düsseldorf (ZMR 2008, 484) sind dagegen der Meinung, dass das Rechtsschutzbedürfnis fortbesteht.
Begründung:
Der anfechtende Wohnungseigentümer ist bei Erfolg seiner Klage von den Kosten befreit; zudem kann die Entscheidung über die Anfechtungsklage Auswirkungen für Folgeprozesse haben.
Der BGH (V ZR 202/10 vom 13.05.2011) hat sich jetzt der letzt genannten Meinung angeschlossen. Im dort entschiedenen Fall ging es um eine beschlossene Fassadensanierung, die während der Laufzeit des Gerichtsverfahrens abgeschlossen worden war. Der BGH meinte, dass Rechtsschutzbedürfnis bestehe fort, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung diene. Solange Auswirkungen der Beschlussanfechtung auf Folgeprozesse nicht sicher auszuschließen seien, bestehe das Rechtsschutzbedürfnis fort.
Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn eine erfolgte Anfechtungsklage niemandem mehr einen Nutzen bringen könne.

Praxishinweis:

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Erfolg einer Anfechtungsklage kann nicht davon abhängen, wie lange das Gerichtsverfahren ggf. in Anspruch nimmt bzw. wie schnell ein gefasster Beschluss umgesetzt wird.