Nicht selten gibt es für einen Gegenstand mehrere Beschlussanträge. Dann muss sich der Versammlungsleiter (in der Regel der Verwalter, vgl. § 24 Abs. 5 WEG) klar machen, ob ein Beschlussgegenstand zur Abstimmung steht, für den die Eigentümer nur eine Stimme haben oder es mehrere (alternative) Beschlussgegenstände gibt, für die die Eigentümer auch jeweils eine Stimme haben. Im zweiten Fall muss er auch über alle Anträge abstimmen lassen. Er kann die Abstimmung nicht beenden, sobald er meint, eine Mehrheit zu haben

Sehr lehrreich ist ein Fall, bei dem es um die Verwalterbestellung ging und den der BGH im Januar 2019 entschied (BGH  V ZR 324/17).

Der Fall: In der Gemeinschaftsordnung ist das Wertprinzip vereinbart (Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen). Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen. Sie werden also wie die Stimmen nicht anwesender oder nicht vertretener Wohnungseigentümer bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht mitgerechnet.

Es sollte über die Bestellung eines Verwalters für die nächsten drei Jahre abgestimmt werden. Beschlussvorschlag 1 bezog sich auf die bisherige Verwalterin, die Beschlussvorschläge 2 bis 4 auf drei weitere Kandidaten. Anwesend oder vertreten waren 930/1.000 Miteigentumsanteile. Der Verwalter ließ über den Beschlussvorschlag 1 abstimmen. Er zählte 460 Ja-Stimmen, 380 Nein-Stimmen und 90 Enthaltungen. Er stellte daraufhin fest, dass die bisherige Verwalterin wiedergewählt sei und es daher keiner weiteren Abstimmungen bedürfe. 

Entscheidung: Das war falsch! Werden mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl gestellt, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden. Das ist nur dann anders, wenn ein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nur eine Ja-Stimme (für alle Bewerber) abgeben können. Liegt diese Ausnahme nicht vor (was der Fall ist, wenn über jeden Bewerber abgestimmt werden soll) darf die Abstimmung über die weiteren Bewerber nicht abgebrochen werden, weil dann nicht festgestellt werden kann, ob die erforderliche Mehrheit erreicht ist.

Bei mehreren Bewerbern ist die Abstimmung über jeden einzelnen nur ein Teilakt eines einheitlichen Wahlverfahrens. Erst nach Durchführung aller Wahlgänge kann festgestellt werden, ob ein und welcher der Bewerber die erforderliche Mehrheit erhalten hat. Ist ein solches Wahlverfahren vorgegeben, haben die Eigentümer mehrere Stimmen. Das ist auch sinnvoll, weil das die Möglichkeit eröffnet, dass ein Wohnungseigentümer nach einer persönliche Präferenzliste abstimmt: Er kann einen Bewerber bevorzugen, aber auch einen oder mehrere andere für annehmbar halten. Wird über den von ihm bevorzugten Bewerber erst später abgestimmt, muss gewährleistet sein, dass er auch insoweit sein Stimmrecht ausüben und seine Stimme für seinen Kandidaten abgeben kann.

Hinweis: Das Urteil ist für alle Beschlüsse wichtig, bei denen mehrere Alternativen zur Wahl stehen.

 Rechtsanwalt Johannes Hofele  Fachanwalt für Steuerrechtvon Rechtsanwalt Johannes Hofele,
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Breiholdt Rechtsanwälte