Hat der Vermieter eine Wohnung modernisiert, kann er einen Teil der Kosten als Modernisierungs-Mieterhöhung gem. § 559 BGB auf die Mieter umlegen. Oder er kann die Miete nach § 558 BGB („Ortsübliche Vergleichsmiete“) erhöhen. Er kann auch beides machen. Es sind aber Rechenkünste gefragt.

Ein Fall: BGH, Urteil v. 16.12.2020, VIII ZR 367/18

Worum ging es?

V kündigt im Dezember 2008 und Februar 2009 die Durchführung verschiedener baulicher Maßnahmen in der Wohnung an. U.a. baut sie den Raum, in dem bisher nur eine Toilette war, zu einem „richtigen“ Bad um. Die Arbeiten sind im September 2010 abgeschlossen.
Im Oktober 2010 – also kurz nach Abschluss der Arbeiten – macht sie eine Mieterhöhung nach § 558 BGB (ortsübliche Vergleichsmiete) geltend. Sie beruft sich dafür auf sechs Vergleichswohnungen, die ein solches Bad haben. Sie hat also dieses Merkmal, das sie durch die Modernisierung erst geschaffen hat, für die ortsübliche Vergleichsmiete herangezogen.
V verlangt die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 186,61 € um 37,32 € (das sind 20%, damals galt noch diese Kappungsgrenze) auf insgesamt 223,93 € ab dem 01.01.2011. Die Mieterin stimmt zu.
Knapp ein Jahr später, im August 2011 macht V zusätzlich eine Modernisierungsmieterhöhung (§ 559 BGB) um 116,53 € monatlich ab dem 1.5.2012 geltend. Auf den Widerspruch der M zog sie davon den schon erhöhten Betrag von 37,32 € ab und verlangt dann noch 79,21 €.

Entscheidung:

Das darf V!
Sie darf ein wohnwerterhöhendes Merkmal durch die Modernisierung schaffen und das dann für die Ermittlung der ortsübliche Vergleichsmiete heranziehen.
Sie darf es aber nicht „doppelt“ geltend machen, weil sie die vorherige Mietspiegel-Mietererhöhung bei der späteren Modernisierungsmieterhöhung abziehen muss.

Rechenkünste

Hat V modernisiert, hat sie vier Möglichkeiten, unter denen sie wählen kann.

  1. Sie macht (nur) die Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB geltend.
  2. Sie macht (nur) die Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete geltend, wobei sie das durch die Modernisierung geschaffene Merkmal zugrunde legen darf.
  3. Sie kann auch beides machen, dann wird es aber etwas knifflig und sie sollte den Abakus entstauben:
    • Sie kann die Miete erst nach §§ 558 ff. BGB erhöhen und danach nach §§ 559 ff. BGB vorgehen.
    • – oder andersrum.
    • Die Reihenfolge ist insoweit nicht maßgeblich.
    • ABER: Die Höhe der Erhöhung ist begrenzt, wenn V beides macht.
Reihenfolge 1: §§ 558, 559 BGB

Sie kann – wie V im Fall – zunächst nach § 558 BGB erhöhen. Dann kann sie nach § 559 BGB erhöhen, muss aber davon den vorherigen Erhöhungsbetrag abziehen.
Bsp.: Die Wohnung hat 100 m². Die Miete beträgt 6 €/m², also 600 €. Die ortsübliche Vergleichsmiete einer Wohnung mit Bad beträgt 7 €/m². Aus der Modernisierung ergibt sich eine Erhöhung von 1,20 €/m².
Lösung: V kann das Merkmal Bad ansetzen, auch wenn dies erst durch die Modernisierung geschaffen wurde, sie kann wegen der Kappungsgrenze die Miete aber maximal um 15 %, also um 90 € auf 690 €, erhöhen. Darauf kann sie die Modernisierung aufschlagen, aber sie muss von den – eigentlich möglichen – 120 € die schon erhöhten 90 € abziehen. Sie kann also noch um weitere 30 € erhöhen.
Insgesamt muss die Mieterin also 120,- € mehr zahlen – genau das, was sie auch zahlen müsste, wenn nur eine Modernisierungsmieterhöhung erfolgt wäre.

Reihenfolge 2: §§ 559, 558 BGB

Auch in diesem Fall kann V nach § 559 die Miete um 120 € auf 720 € erhöhen. Da die oüVM 700 € beträgt, ist eine Erhöhung nach § 558 BGB ausgeschlossen .
Nur wenn die Mieterhöhung nach § 559 BGB unter der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum lieg, könnte V noch „aufsatteln“.

Ein Vergleich der Erhöhungsmöglichkeiten: Papierkram und was ist, wenn’s Streit gibt?

Das soll die folgenden Tabelle zeigen: 

Erhöhungsnorm § 558 BGB § 559 BGB
Grundsätzliche Unterschiede Das Vergleichsmietensystem ist gesetzlich geregelt.
Bei Vorliegen eines (qualifizierten) Mietspiegels ist das Verfahren überschaubar.
Die Modernisierungsmieterhöhung ist von Gesetzes wegen anspruchsvoller.
Es müssen hohe formelle und materiellrechtliche Anforderungen beachtet werden.

Rechtliche Ausgestaltung

 

Vertragsänderung, es muss eine Einigung erfolgen, M muss also zustimmen.
Liegen die Voraussetzungen vor, ist M „verpflichtet“, zuzustimmen.
Tut M das nicht, kann V – und muss innerhalb bestimmter Fristen – den M auf Zustimmung zur Vertragsänderung verklagen.
Die Mieterhöhung tritt durch einseitige Erklärung des Vermieters ein.
Dies „geht eigentlich normalerweise“ nicht. Daher sind die Anforderungen an die Begründung und die Erläuterungen sehr hoch.
Anknüpfungspunkt der Erhöhung

Qualität der Wohnung.

 

Kosten, die zur Herstellung der Qualität aufgewendet wurden;
Reparaturkostenanteil muss abgezogen werden.
Zeitpunkt „Jederzeit“, wenn Fristen eingehalten sind und die Ausstattungsmerkmale tatsächlich vorliegen, also im Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens fertiggestellt sein. Erst wenn alle Rechnungen vorliegen und alle Arbeiten fertig sind.
Bei tatsächlich trennbaren Maßnahmen kann nach deren Fertigstellung und Vorliegen der Rechnungen auch schon für diesen Teil erhöht werden, das ist aber noch aufwendiger.
Verfahren Erklärung in Textform reicht.
Begründung muss in der Erklärung enthalten sein.
Begründungsmittel: Mietspiegel, Mietdatenbank (gibt es aber bisher noch nicht) Sachverständigengutachten, Vergleichswohnungen
Zustimmungsfrist des M.
Klagemöglichkeit des V nach Ablauf der Frist.
Erklärung in Textform reicht.
Aber: Wirksamkeitsvoraussetzung ist Berechnung und Erläuterung der Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten unter Abzug der Instandhaltungskosten
Gesetz und Rechtsprechung stellen hohe Anforderungen.
M muss den Grund der Mieterhöhung anhand der Erläuterung als plausibel nachvollziehen können.
Fehlerbehebung Erhöhungsverlangen kann im Prozess nachgebessert werden Erhöhungsverlangen kann im Prozess nicht nachgebessert werde. Eine fehlerhafte Erklärung ist unheilbar nichtig.
Neue Erklärung im Prozess notwendig → Zeitverlust.
Risikoabschätzung, ob Erklärung im Streitfall „hält“ Vergleichsweise einfacher, weil Voraussetzungen klarer und weniger einzelfallabhängig sind. Vergleichsweise schwieriger, weil Gesetzgeber bewusst hohe Wirksamkeitsvoraussetzungen vorgesehen hat; die Rechtsprechung tut zum Schutz der Mieter ein Übriges.
Rechnerische Risiken

Wenn Mietspiegel vorhanden, relativ gering

Ohne Mietspiegel: Ermittlung durch Sachverständigengutachten kann teuer sein, Abstellen auf Vergleichswohnungen ist streitanfällig

Für die formelle Wirksamkeit muss die Höhe der umlegbaren Kosten für jede einzelne Maßnahme berechnet und erläutert werden (es ist aber keine Aufschlüsselung nach Gewerken notwendig, aber das ist ein anders Problem
fiktive (ersparte) Erhaltungskosten sind in Abzug zu bringen.
V trägt vollumfänglich die Darlegungs- und Beweislast.
Sowohl die Angaben als auch die Berechnungen im Erhöhungsverlangen werden im Prozess vollständig überprüft.
Rechnerische Grenzen Zeitliche Beschränkungen:
15 Monate unverändert
Verlangen frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung.
Kappungsgrenze: Erhöhung darf innerhalb von drei Jahren 20 % bzw. 15 % nicht überschreiten (Erhöhungen nach § 559 BGB bleiben außer Betracht)
Quote für die jährliche Kostenumlage von 8 % (seit 2019).
Absolute Kappungsgrenze i.H.v. 3 €/m2 Wohnfläche innerhalb von sechs Jahren,i.H.v. 2 €/m2, falls Ausgangsmiete von weniger als 7 €/qm
Einwendungen des Mieters M kann nur angreifen, ob die Merkmale bestehen. M kann das gesamte Rechenwerk angreifen und
zusätzlich steht ihm ein wirtschaftlicher Härteeinwand zu.

Fazit:

Jeder Einzelfall muss im Hinblick auf die möglichen Mieterhöhungen durchgerechnet werden. Dabei muss auch der Begründungsaufwand  beachtet werden, etwa die Kosten für Architekten oder Planer, die durch die notwendigen Berechnungen und Aufschlüsselungen bei der Modernisierungs-Mieterhöhung entstehen. Und schließlich müssen die Risiken und Chancen der erfolgreichen Durchsetzung abgewogen werden.
Die Anforderungen an eine formell wirksame und materiell richtige Modernisierungs-Mieterhöhungserklärung sind hoch. Insbesondere gibt es auch hier durch die Rechtsprechung eine Art Kappungsgrenze, die zur Absenkung des Umlagebetrages führen kann. Die „einfachere“ Erhöhungserklärung nach §§ 558 ff. BGB kann eine Alternative darstellen, zumal wegen der Pflicht zur Erstellung eines Mietspiegels künftig in viel mehr Gemeinden Mietspiegeln erstellt werden (müssen).

 

 Rechtsanwalt Johannes Hofele  Fachanwalt für Steuerrechtvon Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte